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Bundesrat schwächt das  «Recht auf gewaltfreie Erziehung» massiv ab

Dieser Tage entscheidet der Bundesrat

Mittwoch, 19. Februar 2020

Am 20. Dezember 2019 reichte CVP-Nationalrätin Christine Bulliard-Marbach, FR, erneut eine Motion für die gewaltfreie Erziehung im Nationalrat ein. Der Bundesrat hat drei Monate Zeit, seine Position zu erarbeiten. Nächste Woche ist es soweit. Es ist nicht die erste Motion, es ist in etwa die vierte. Jedes Mal lehnte der Bundesrat die Vorstösse ab mit der Begründung, ein Züchtigungsrecht der Eltern sei heute mit dem Kindeswohl   nicht mehr vereinbar. Deshalb sei es nicht notwendig, ein ausdrückliches Züchtigungsverbot im Zivilgesetzbuch (ZGB; SR 210) zu verankern. Zudem unterstünden Kinder dem Schutz durch das Strafrecht. Das Strafrecht aber ist für weniger gravierende Fälle von Gewaltanwendung wirkungslos. Es braucht ein Signal, dass wir in unserem Land nicht wollen, dass Kinder geschlagen oder psychisch verletzt werden.

 

Wir wünschen uns als vom Bundesrat, dass er die wohlformulierte und präzise Motion von Frau Bulliard-Marbach positiv beantwortet.

Denn es gibt zahlreiche gute Gründe dafür, einige seien hier nochmals aufgezählt:

  • Schläge sind kontraproduktiv und schaden der Entwickllung des Kindes. Ohrfeigen oder Klapse erniedrigen und demütigen ein Kind.
  • Ein Gesetz im Zivilgesetzbuch (ZGB) hat eine hohe Signalwirkung und führt längerfristig zu einem gesellschaftlichen Sinneswandel.
  • Das sieht man in unseren Nachbarländern; in Deutschland etwa hat seit der Einführung des Artikels 1631 im BGB für eine gewaltfreie Erziehung ein Sinneswandel stattgefunden: "Das Gesetz fördert nicht nur kritische Einstellungen zur Gewalt, sondern sensibilisiert obendrein für Gewalt in der Erziehung". Dies schreibt der deutsche Strafrechtler Prof. Dr. Kai D. Bussmann in seiner Studie (2010).
  • Diese Studie bestätigt, dass das Gewaltniveau seit der Einführung des Gesetzes in Deutschland deutlich gesunken ist.
  • Die Schweiz muss die UN-Konvention für die Rechte des Kindes umsetzen. Die Uno hat die Schweiz schon zweimal gerügt, weil sie noch kein Gesetz für die gewaltfreie Erziehung im ZGB verankert hat.
  • Übrigens unterstützt auch die Eidgenössische Kommission für Kinder- und Jugendfragen EKKJ mit einem 20-seitigen Bericht die Notwendigkeit eines solches ZGB-Artikels.
  • Ein ZGB-Artikel ermöglicht dem Bund, Informationsmassnahmen zu finanzieren, die das Verbot von Körperstrafen und seelische Gewalt an Kindern bekannt macht. Die schwedische Regierung zum Beispiel lancierte eine erfolgreiche Kampagne auf Milchtüten: Sie informierte über die Folgen für Kinder, wenn sie Gewalt erfahren, aber auch über die gesellschaftliche Folgen und die Folgen für das Gesundheitssystem.

Nun appellieren wir an die Vernunft und Klugheit des Bundesrates, zahlreiche Gründe und Studien liegen auf dem Tisch, warum es ein solches Gesetz im ZGB braucht. Fachleute, die in der Kinder- und Jugendhilfe oder in Spitälern tätig sind, fordern vehement ein solches Gesetz. Unsere Initiative wird von mehr als 70 Fachleuten und mehr als 10 Organisation, die im Thema Kinderrechte in der Schweiz tätig sind, unterstützt. Übrigens auch von Flavia Frei, Vize-Präsidentin der Eidgenössischen Kommission für Kinder- und Jugendfragen EKKJ.

 

Die genannten Fachleute haben täglich mit den Folgen der Gewalt an Kindern zu tun. Lesen Sie den Artikel im Tages-Anzeiger "Die Tendenz ist erschreckend". Hier wird berichtet, dass das Kinderspital Zürich 2019 eine Zunahme der Fälle verzeichnete, in denen ein Verdacht auf Misshandlung an Kindern bestand. Diese erschreckende Tatsache kann nicht ignoriert werden, auch nicht vom Bundesrat.